Freitag, Juli 28, 2006

Vom Weibe und Manne

Deswegen mag ich diesen Studiengang, Literatur – Kunst – Medien. Weil ich mir das erlauben kann: Den französischen Vorreiter des Symbolismus und Wegbereiter der Moderne, Emile Bernard, mit allzu postmodernen Visual Kei-Künstlern in Beziehung setzen. Wie jetzt? So:

In einem Kunstseminar, das ich dieses Semester besucht habe, ging es um Körper (Frau Danguy, nicht Herr Thürlemann). Und so kam es, dass ich ein Referat vorzubereiten hatte über Emile Bernards „Madeleine au Bois d’Amour“.

Wie man es so macht, holte ich mir drei große Bücher über den Maître und fand Intertextualität: Mehrmals war dort die Rede (auch meine Referatspartnerin Sarah L. stieß in Lektüre über Paul Gauguin auf Ähnliches) von japanischen Holzschnitten, von denen sich Bernard in seiner Bildkonzeption hat inspirieren lassen (vgl. Stevens 1990, S.128): „Die zwei Figuren im Vordergrund sind in der Art japanischer Holzschnitte durch den Bildrand überschnitten.“ Von folgendem Bild Bernards („Qaui de Clichy“, Öl auf Leinwand, 39 x 59 cm, 1887) ist die Rede:


Hier zum groben Vergleich ein japanischer Holzschnit (leider habe ich keinen evidenten mit Figuren gefunden):


Auf dem Weg zur Moderne hat man sich also von Fernost inspirieren lassen, von dem Land, das heute für seine manchmal überbordende Moderne bekannt ist. Evident, das.

Dann aber ist mir noch eine Parallele aufgefallen. Mary-Anne Stevens, die Herausgeberin meiner Quelle, vermutet in Bernards Madeleine die Gestalt der Jeanne d_Arc manifestiert und untermauert das durch ein Zitat aus einem Brief, den Paul Gauguin an das Mädchen geschrieben hat: Madeleine solle „sich als ‚androgyn’ und ‚ohne Geschlecht’ (…) betrachten.“ (Stevens 1990, S.130) Losgelöst von der für mich ohnehin etwas zweifelhaften Belegung des Holzmädchens mit der französischen Nationalschizophrenen findet sich diese Androgynität ebenfalls in der japanischen Visuell-Kultur wieder. Begegnet ist sie mir, als ich Aya vorsichtig fragte, ob dieser Künstler denn schon weiblichen Geschlechts sei.


„Nein, nein, das sind alles Männer.“ Gut. Offensichtlich ist auch diese Inszenierung auf Geschlechtshomogenisierung angelegt. Wieder verbinden sich japanische Postmoderne und französisch Prä-Moderne auf skurrile und doch einsichtige Weise. Die Verschmelzung bzw. Verwischung von Geschlechtergrenzen als Zeichen für Progressivität. Männlein hat gefälligst so auszusehen, Weiblein bitte nur so – alles hinfällig.

Und wenn man möchte, kann man bei unserer Madeleine tatsächlich, vor allem in Gegensatz zu beispielsweise folgendem Frauen-Akt von Bernard,

wenig typisch weibliche Kurven feststellen, ebenso wie die genetischen Männer für das konventionelle Verständnis schon zu viel davon im Gesicht haben.

Quellen:

  • Stevens, Mary Anne (Hrsg.), Emile Bernard, 1868 - 1941 ; a pioneer of modern art/ Emile Bernard, ein Wegbereiter der Moderne, (Ausstellungskatalog), Waanders / Mannheim 1990.
  • Bild Madeleine au Bois d’Amour: http://artyzm.com/obrazy/bernard_madeleine.jpg
  • Bild japan. Holzschnitt: http://www.shiatsu-austria.at/einfuehrung/images/einf25a.jpg
  • Bild Etude de nu entnommen aus Stevens, Mary Anne.
  • Bild Gakuto: http://www.oyla13.de/userdaten/86231504/bilder/Gackt17.JPG
  • Bild Shinya: http://www.oyla13.de/userdaten/86231504/bilder/Shinya.JPG