Donnerstag, August 17, 2006

Von Gedanken, die eigentlich hier gar nichts mehr zu suchen haben

Irgendwie ist es komisch (Texte, die so anfangen, sind meistens trivial, aber ich sehe über diese Prämisse einfach mal hinweg): Ich wollte immer nach Japan reisen, schon lange vor diesem Seminar. Lebensziele habe ich mir nie groß gesetzt (außer mal eine Eigentumswohnung in einer Stadt mindestens so groß wie Konstanz, Altbau, Oberlicht, Maisonette, renoviert, mit Küche, Fronten rot glänzend, großer aber energiesparender Kühlschrank, mit Katze und Liebstem und ein Job, der mich sowas finanzieren lässt), deswegen gab es nie irgendwo eine bewusste Geistesliste, auf der stand, rechts neben einem noch leeren Kästchen: "Nach Japan reisen". Aber wenn man dann mal so davon sprach, von Reisen, dann fiel von meiner Seite aus auch immer Japan. Und das mit ehrlicher, nicht gruppengezwängter Begeisterung.
Nach diesem Seminar aber ist die Begeisterung weg. All die Eindrücke und Gedanken, sei es von mir oder von Kommilitonen, haben sich zu einem diffusen, wohl verzerrten eigenem Japan-Bild verkleistert, an dem jeglicher Reise-Enthusiasmus kleben bleibt und dabei hässlich zerreißt. Klar, eine gute Möglichkeit, mir selbst ein Bild zu machen, so wie ich es (wie so viele andere auch in ihrem Fazit) ja auch geschrieben habe. Und ich werde es wahrscheinlich auch so tun, wenn ich die Eigentumsmaisonettealtbauwohnung abbezahlt habe. Genauer überlegt aber ist der Reiz verstummt. Ich habe zwar irgendwie mein Japan in Konstanz gefunden, in Erzählungen und eigenen Gedanken, aber mein Japan in Japan will ich gar nicht mehr suchen.

Freitag, Juli 28, 2006

Ja, und nu'?

Zusammenfassung also… Irgendwie bin ich eingeschüchtert nach all den klugen Dingen, die an dieser Stelle schon im Seminar gesagt wurden. Deswegen verlagere ich mich zunächst darauf zu erklären, was in aller Welt das alles soll. Mit meinem schick gelayouteten Header will ich meine Arbeit bereits unter ein bestimmtes (türkises – jaaaa!) Licht stellen: „Japan-Repräsentationen“. Bereits sehr früh, noch vor Beginn des Sommersemesters kondensierte das Wort „Japan-Moment“ an meinem Alltag. Da sah sich der Mensch an meiner Seite selbst veranlasst, mich auf meinen bisher gedankenlos gepinten „Hello Kitty“-Button hinzuweisen. Doch ich merkte, dass es nicht reichte, einfach nach Japan zu suchen, das an irgendwelchen Produkten oder Klischees haftete. Ich wollte mein Japan in Konstanz suchen, aber nicht, wie es Eddi Decembrino schon angemerkt hat, in Sushi-Rezepten und Kampfkunst-Abhandlungen. Viel mehr versuchte ich zu beobachten wie ich selbst und andere mit Japan umgehen, wie Japan hier in meinem Alltag repräsentiert ist. Nicht so sehr Inhalt, das erschien mir als etwas, das aus Büchern allzu einfach herauszulesen ist. Mehr Form. Und damit auch wieder Inhalt, rückkoppelnd.

So entstand eine Collage meiner ganz eigenen Sichtungen und Fundstücke. Zwischendrin habe ich mich, in kleinen oder auch größeren Episoden, immer mal wieder veranlasst gesehen, doch ein Klischee zu verhandeln, gerade weil da halt nicht drumrumzukommen ist. Aber, so hoffe ich zumindest, immer im Bewusstsein, dass es sich um ein Klischee handelt.

Mein Blog ist teilweise auch sehr persönlich geraten, hoffentlich nicht zu, aber wenn ich schon mal so eine ungewöhnliche Arbeit für die Uni verrichten kann, dann auch so, wie’s in den meisten Blogs gängig ist (zumindest, was den allgemeinen Ton angeht).

Meinen sehe ich als eine Sammlung von Geschichten, Erzählungen und Theorien um sie herum(von daher auch die spätere Umformatierung meiner Überschriften mit „Von…“ gepräfixt). Und von daher auch der Stau am Schluss, fast hat sich eine ganze Erzähltradition gebildet und die galt es auf einmal niederzuschreiben.

Und, Japan gefunden? Nö, nicht so wirklich. Aber eine spannende neue Sichtweise (auch auf die Arbeit meiner Kommilitonen, die mich ehrlich beeindruckt hat). Wie ein Flugzeug, das seine Schleifen über dem Tokyoter Flughafen dreht und sich dann wieder aufmacht in Richtung Friedrichshafen. Dass es immer nur bei Repräsentationen bleiben wird, war von Beginn an klar. Die absolute Haiku-Präsenz und die eventuelle Originalität meiner so oft erfahndeten Simulakren werde ich erst finden, wenn überhaupt, wenn ich mir einen Fallschirm nehme und während der Schleifen abspringe.

Oder ganz profan ins Reisebüro gehe.

Bis dahin aber erquicke ich mich (wirklich ganz nüchtern gesehen) daran, wieder eine neue Erkenntnis gewonnen zu haben und vor allem, diese herrliche Art und Weise der Prüfungsleistung erbringen zu dürfen: Schreiben, wie die Gedanken auf die Tasten fallen. Das wird mir echt fehlen, bei der nächsten Hausarbeit.

Von Mangas, Animés, Fremdheit, Hygiene, japanischem Rock, Vorurteilen und Sushi

Fast bin ich versucht, von einer anderen Generation zu sprechen: Sieben Jahre liegen zwischen Anastassja, der Freundin meines Bruders, und mir. Zum Ende meines Blogs erlaube ich mir jetzt doch einmal etwas Altklugheit: Die heute 13-16-Jährigen hatte ich abgehakt unter „denen“: „denen“, die ja so was von frühreif sind (so was hätten wir in dem Alter und so), „denen“, bei denen die Typen wie vom Band in die Busse einsteigen (Mädels überschminkt und behängt, Jungs überposed und mit hängenden Hosen) , „denen“, die gern von entrüsteten Pensionären ermahnt werden, die mit den Füßen samt Schuhen aufgerüsteteten Bussitze von jenen zu befreien. Und natürlich haben sie entweder keinen Musikgeschmack, hören HipHop mit Zeigefinger-Mittel/Ringfingerverschränkung-kleiner Finger-Gesten oder Tokio Hotel. Bildung, Schule, Interesse? Och nö, lieber H&M und ‚Mäc’.

Die bereits mehrmals erwähnte Aya aber passt da nicht ganz so simpel rein. Hätte ich sie im Bus gesehen (mein liebster Observationsplatz), wäre sie wohl auch auf obig beschriebenem Haufen gelandet, obwohl sie nicht einmal in meine gern genommene Kategorie „Tussi“ fällt. Sie ist ein natürliches Mädchen – und hat, hach, wie sich die Welt doch geschmeidig fügt, mehr Ahnung von Japan, als ich während des Semesters überhaupt hätte sammeln können.

So sitze ich also auf meinem Balkon, noch vor dem Frühstück, habe meinen Uniblock und Kuli neben Brötchenteller und Messer und investigiere. Sie sitzt die ganze Zeit neben meinem Bruder. „Angefangen hat’s mit Sailormoon“, lacht sie, als ich ganz konventionell nach dem Startpunkt der Manie frage und erscheint sich allzu bewusst, welchen Ruf die großäugigen Flugmädchen hinter sich drein ziehen. Und doch finde ich es klassisch und, ich erlaube mir eine Wertung, okay. Wie soll man auch sonst als Siebenjährige seiner Japan-Begeisterung begegnen? Bestimmt nicht bei einer Reise, bei der die übliche elterlich organisierte Tempeltour die präpubertäre Aufmerksamkeitsspanne allzu harsch quält. Ihr Interesse wandert also von Animés (die zweifelhaften RTLII-Serien taugen also doch zur Bildung) zu Mangas (mit neun bis zehn Jahren) zu Kultur und Sprache und dringt von zuerst Worms, dann Augsburg per Fernlektüre immer tiefer in den fernen Kosmos ein. Während ihrer ersten Zeit auf dem Gymnasium lernt sie die ältere Schwester einer Freundin kennen. Die führt sie ein, in Musik und Kultur. Seit drei Jahren lernt sie Japanisch an der VHS. Sie zieht ein Büchlein mit Schriftzeichen aus ihrer seminarrelevanten Wundertüte und gibt mir eine Einführung, die ich jetzt schon nicht mehr fähig bin zu rekonstruieren. Ich weiß nur noch um mein Erstaunen.

Dann stelle ich eine Frage, auf die ich eigentlich schon meine, die Antwort zu kennen, nur noch für den pro forma-Ot-Ton sozusagen: „Und wie geht’s voran mit den Lernen?“ – „Nicht so gut.“ - „Hm. Kann man sagen, dass es einfach dauert, Japanisch zu lernen, dass das ganz normal ist, dass es so lang dauert, weil die Sprache einfach schwer ist?“ – „Nö. Ich bin einfach zu faul zum Lernen.“

Auch gut. Sie lacht halbverlegen.

Dann gewinnt auch mein knurrender Magen die Diktatur über die verarbeitende Hand.

Später sind wir an hiesigem Strandbad.

„Mich hat’s halt interessiert. Da hab ich mich im Internet informiert, bin auf das Forum gekommen [bereits erwähntes animexx.de] und war immer auf dem Laufenden.“ Eine Leidenschaft im Kommunikationszeitalter, ja, so was lädt zu Floskeln geradezu ein. In Fernsehreportagen habe sie dann das Land Japan kennen gelernt. „Und dann willst du sicher nach Japan reisen?“ – „Jaaaa“, sagt sie in einem Tonfall, in dem sich gern auch viel teeniehaftere Schwärmereien über bereits erwähnte Sänger bewegen und zieht das Badetuch unter sich lang. Und sie hat einen Deal: Wenn sie die Fachoberschule schafft, als in gut drei Jahren, legen Großeltern und Eltern für eine Reise zusammen. Was sie denn so an der japanischen Kultur fasziniere: „Dass sie so anders ist, voll ungewohnt.“ Unser Seminarsparadigma. Ich bitte um Präzision. „Der Kleidungsstil, das Essen, das Verhalten, die Erziehung, die Häuser, die Kampfkunst, die Sprache. Außerdem ist da alles voll hygienisch.“ Das Mädel hat sich aber informiert. „Kennst du den Film Shogun?“, fragt sie mich. Nicht wirklich. „Den musst du dir mal anschauen, der beschreibt die frühere Zeit und die Geschichte sehr gut.“ Was hab ich eigentlich geschaut, als ich fünfzehn war?

Dann erzählt sie vom Freund einer Freundin, einem Japaner, der Deutsch in seiner Heimat studiert und ab und zu nach Deutschland kommt. „Der hat bei ihr gegessen und hat sich erst Essiggurken, dann Salami, Chips und Kekse reingezogen.“ - „Der ist aber auch dünn“, wirft mein ebenfalls sehr schlanker Bruder ein. „Da bin ich ’ne Fettsau dagegen.“ Auch solche profanen Erkenntnisse bergen also Begegnungen mit Japanern.

Die gängigen Vorurteile muss sie doch auch kennen, wenn sie sich so intensiv mit einer fremden Kultur beschäftigt hat. Aya drückt es so aus: „Naja, leicht bekleidetet junge hübsche Japanerinnen, die sich dann quer durch die Stadt…, oder?“ und „Leute, die ‚Chingchangchong’ sagen, wenn Japaner vorbeigehen.“ Einfach und treffend. Und „gar nix“ sei dran, empört sie sich.

Auf die Frage nach ihrem Japan-Bild meldet sich mein Bruder zu Wort: „Darf ich auch was sagen?“. Nun gut: „Japaner üben nie direkt Kritik. Die sagen nicht: Deine Frisur ist scheiße, sondern Deine Frisur gefällt mir, aber eine andere würde dir auch gut stehen.“ Stolz blickt er auf seine Freundin. Die scheint kritisch: „Ich weiß, dass Chinesen das machen, aber Japaner…?“

Dann darf er aber doch noch etwas sagen, nämlich wie es in Ayas Zimmer aussähe (klar, welche Antwort ich erwarte). „Aufgeräumt.“ Ja, und irgendwelche japanischen Elemente? „Eine PSII und den Fernseher von Sony“, hallt es einhellig semi-ernst herüber. Und irgendwie bin ich fast ein bisschen erleichtert, dass ihr Leben noch nicht ganz so durchdrungen ist, von ihrem Wissen und ihren Interessen. Sonst wäre sie mir fast ein wenig unheimlich gewesen. Auch ihre Präferenz für die japanische Musik begründet sie mit „weil sie anders ist. Es ist irgendwie … einfach anders, ja.“ Gut, kann man wohl nicht beschreiben. Ich mag Muse ja eigentlich auch gerade deswegen.

Mein Fragenkatalog geht langsam zu Ende. Ich weiß alles, was ich wissen wollte. Ich bin schon dabei, Kuli und Block in der großen Badetasche zu verstauen und habe mir gerade eine Vollkorn-Prinzenrolle zugeführt, als sie noch einwirft: „Und ich liebe Sushi.“ Ist notiert.

Vom Weibe und Manne

Deswegen mag ich diesen Studiengang, Literatur – Kunst – Medien. Weil ich mir das erlauben kann: Den französischen Vorreiter des Symbolismus und Wegbereiter der Moderne, Emile Bernard, mit allzu postmodernen Visual Kei-Künstlern in Beziehung setzen. Wie jetzt? So:

In einem Kunstseminar, das ich dieses Semester besucht habe, ging es um Körper (Frau Danguy, nicht Herr Thürlemann). Und so kam es, dass ich ein Referat vorzubereiten hatte über Emile Bernards „Madeleine au Bois d’Amour“.

Wie man es so macht, holte ich mir drei große Bücher über den Maître und fand Intertextualität: Mehrmals war dort die Rede (auch meine Referatspartnerin Sarah L. stieß in Lektüre über Paul Gauguin auf Ähnliches) von japanischen Holzschnitten, von denen sich Bernard in seiner Bildkonzeption hat inspirieren lassen (vgl. Stevens 1990, S.128): „Die zwei Figuren im Vordergrund sind in der Art japanischer Holzschnitte durch den Bildrand überschnitten.“ Von folgendem Bild Bernards („Qaui de Clichy“, Öl auf Leinwand, 39 x 59 cm, 1887) ist die Rede:


Hier zum groben Vergleich ein japanischer Holzschnit (leider habe ich keinen evidenten mit Figuren gefunden):


Auf dem Weg zur Moderne hat man sich also von Fernost inspirieren lassen, von dem Land, das heute für seine manchmal überbordende Moderne bekannt ist. Evident, das.

Dann aber ist mir noch eine Parallele aufgefallen. Mary-Anne Stevens, die Herausgeberin meiner Quelle, vermutet in Bernards Madeleine die Gestalt der Jeanne d_Arc manifestiert und untermauert das durch ein Zitat aus einem Brief, den Paul Gauguin an das Mädchen geschrieben hat: Madeleine solle „sich als ‚androgyn’ und ‚ohne Geschlecht’ (…) betrachten.“ (Stevens 1990, S.130) Losgelöst von der für mich ohnehin etwas zweifelhaften Belegung des Holzmädchens mit der französischen Nationalschizophrenen findet sich diese Androgynität ebenfalls in der japanischen Visuell-Kultur wieder. Begegnet ist sie mir, als ich Aya vorsichtig fragte, ob dieser Künstler denn schon weiblichen Geschlechts sei.


„Nein, nein, das sind alles Männer.“ Gut. Offensichtlich ist auch diese Inszenierung auf Geschlechtshomogenisierung angelegt. Wieder verbinden sich japanische Postmoderne und französisch Prä-Moderne auf skurrile und doch einsichtige Weise. Die Verschmelzung bzw. Verwischung von Geschlechtergrenzen als Zeichen für Progressivität. Männlein hat gefälligst so auszusehen, Weiblein bitte nur so – alles hinfällig.

Und wenn man möchte, kann man bei unserer Madeleine tatsächlich, vor allem in Gegensatz zu beispielsweise folgendem Frauen-Akt von Bernard,

wenig typisch weibliche Kurven feststellen, ebenso wie die genetischen Männer für das konventionelle Verständnis schon zu viel davon im Gesicht haben.

Quellen:

  • Stevens, Mary Anne (Hrsg.), Emile Bernard, 1868 - 1941 ; a pioneer of modern art/ Emile Bernard, ein Wegbereiter der Moderne, (Ausstellungskatalog), Waanders / Mannheim 1990.
  • Bild Madeleine au Bois d’Amour: http://artyzm.com/obrazy/bernard_madeleine.jpg
  • Bild japan. Holzschnitt: http://www.shiatsu-austria.at/einfuehrung/images/einf25a.jpg
  • Bild Etude de nu entnommen aus Stevens, Mary Anne.
  • Bild Gakuto: http://www.oyla13.de/userdaten/86231504/bilder/Gackt17.JPG
  • Bild Shinya: http://www.oyla13.de/userdaten/86231504/bilder/Shinya.JPG


Von Ikonografie und Fransen


An dieser Stelle steht gerne folgender Gag („…“ steht für schluchzenunterdrückende Redeunterbrechungen): „Ich möchte ... mich … bedanken bei … Anastassja, wie ich sie auch gerne nenne: Aya, der Freudin meines Herren … Bruder“ Tatsächlich erwachsen aus den Obuli eben jenes Mädchens meine letzten drei Posts. Nach monatelanger vergebener Kommunikation mit dem Bindeglied, meinem nächsten männlichen Verwandten, besuchen er und sein Mädel mich schließlich am See für einen Sprung in selbigen und sie bietet mir statt Golde aus dem Morgenland Anschauungsmaterial aus noch viel früher am Tage sonnenbeschienenen Staaten dieser Erde dar.

Tatsächlich bereitet die 15-Jährige in einem Alter, in dem ich mich gerade von der Bravo-Lektüre lösen konnte, schon lange ein Steckenpferd, wie man es selten kennt: Japan, id est japanische Sprache, Kultur, Musik (ein ausführliches Fangirl-Portrait soll meinen Blog abschließen). Zunächst aber will ich mich dem Presseerzeugnis widmen, das seit ihrem Besuch in einer Stofftasche an meiner Wand ein ignoriertes Dasein führt.

Ein erstes Blättern in der „Fool’s Mate“, eine viel „Visual Kei“- aber auch anderes Musikzeitschrift, ist schon deswegen ein horizontexpandierendes Erlebnis, weil man – („oh toll“) – von hinten anfängt zu blättern. Sie erscheint irgendwie fester gebunden und das Format ist ebenso nicht eurotypisch. Fast wirkt das Heft wie ein Buch, wertvoller, schätzebergender. Man birgt tatsächlich erst einmal Dutzende Netze Bilder. Sehr schön fotografierte junge Menschen, eher Männer, wie ich mich aufklären lassen. Je weiter ich in der tatsächlich entzifferbaren Seitenzahl fortschreite, desto mehr erscheint mir die „Fool’s Mate“ wie ein Bilderbuch, ein Fotoband. Text ja, aber ikonografische Inszenierung - oh ja. Meistens die gleichen Frisuren: Glatt und fransig. Eine Nachfrage erhellt mich, dass „das halt grad Mode ist.“ Viel mehr kommt es mir vor wie ein Szenecode. Spannend auch für den Typografen und den Linguisten: Die Überschriften sind meistens in Englisch gehalten, der Rest verliert sich (zumindest für meine Augen) in Unverständnis. Europäische Schriftzeichen, genuin zur englischen Sprache zusammengesetzt, als (ha!) Zeichen auf eine gewisse Internationalität? Geht herrlich auf, wie ich finde.


Vorgestern dann steige ich aus dem 2er am Bahnhof aus. Ich betrete den Bahnhofskiosk und fange an, wahllos aus den eng gedrängten Papierprodukten herauszuziehen, was irgendwie nach „Bling“ aussieht. Mein Ziel: ein ikonografischer Vergleich zwischen der Inszenierung von Musik in meinem japanischen Goldstück (das übrigens aus einem Spezialgeschäft in München stammt) und den HipHop-Zeitschriften, die ich vom Bruder meines Liebsten kenne. Ich entscheide mich schließlich für die „Juice“, „HipHop [Music – kann ich nicht entziffern, der Hut des auf dem Titel abgebildeten Outkast-„Sängers“ steht mir im Weg], Styles and Culture“. Und beginne zu blättern. Zunächst bin ich etwas enttäuscht. Wenig Bling, zumindest weniger als erhofft (vielleicht, weil es die deutsche Ausgabe ist), mehr Text. Und doch finde ich ein paar Mannen, die sich bereitwillig vor die Linse trollen. Und im Grunde ist die Inszenierung dieselbe: Es regiert die Prätentiosität. Was vor den japanischen Foto-Leinwänden die Verkleidungen und das Make-Up sind, die Schichten des Vorgebens, des Eindruck-Erweckens und der Seins-Produktion, sind auf den zumeist US-amerikanischen, wie ich wage zu mutmaßen, lächerliche Accessoires wie Frauen, Schmuck und mal so ein bisschen Auto. Selbstverständlich ist der Hintergrund hier nicht synthetische Studioausstattung, sondern „Street“. Mal blauer Himmel, meistens aber Mauern, mäßig gut geputzt, mal grafittiverziert. Und so wird selbst der Hintergrund der Bilder Teil des Profilbildungsprogramms.


Ja, ich habe mir auch noch eine Zeitschrift aus dem Genre geleistet, von dem ich glaube, zumindest ein wenig mehr Ahnung zu haben: die Visions. Und ich kam nicht umhin mich zu fragen (ein Zitat!): Wird denn hier nicht genauso gepost? Gerade in einer Szene, die eigentlich doch eher auf Authentizität pocht, muss sich doch zwischen dem Pochen etwas finden lassen. Und selbst abzüglich das Faktors, dass in der Presse zu sehende Fotos immer Inszenierung und textfreie Imagebroschüren sind, werde ich selbstverständlich fündig: Man beachte die Frisuren. Auch hier, klar, ein szeneinterner Code. Doch auch der Blick, klar und einfach so „Jungs, mal hierher schauen“ in die Kamera, heißt: „Hey Mann, wir wollen doch einfach nur Musik machen.“ Ikonologie fertig!


p.s.: Es war auf dem Balkon, da ich Aya fragte, was sie denn nun von Tokio Hotel halte und sie den Mund verzog. Ein Griff zur Musikzeitschrift und ein Kenner-Klick an meinem PC und Folgendes erschloss sich:

Bill von Tokio Hotel hat sich wohl, so sagt mir Aya (konnte den Forumsthread leider nicht ausmachen, obwohl ich mich sogar selbst angemeldet hab, was ich auch nie gedach hätte), öfter im selben Internetforum herumgetrieben wie sie: animexx.de („Animexx.de ist ein Onlineclub, der allen Freunden von Anime, Manga und japanischer Kultur offen steht.“). Heute enttarnt man ihn dort der Imitation des japanischen Visual Kei-Künstlers Miyavi.

Quellen:

  • Fool’s Mate. Rock Press, Nr. 292, Februar 2006
  • Juice. HipHop, Music (?), Styles and Culture, Ausgabe 08/06, August 2006
  • Visions, Nr .161, August 06

Alle Bilder jeweils dort entnommen.

  • Bild Bill Kaulitz: http://www.osobnosti.cz/img/userpics/2/25765.jpg
  • Bild Miyavi: J*beat, Nr.1, August – Oktober 2005

Donnerstag, Juli 27, 2006

Von Kilometerständen an Sand- (und südbadischen Kies-)stränden

Mein Hirn leidet an Inkontinenz.
Noch vor einigen Wochen fühlte ich mich veranlasst, öffentlich (so öffentlich wie mein Blog halt ist, angesichts seiner mit Sicherheit server-strapazierenden Leserschaft) Larmoyanz zu äußern über mangelndes Post-Material. Jetzt, wo das Semester sich schon im klimatisierten 5er-Bus zum Hörnle befindet, ist große Räumungsschreibe. „Alles muss raus!!!!“ Über die Wochen hinweg hat sich doch eine Idee nach der anderen im einem Word-Dokument versammelt und so sehr ich mich auch bemühte, der Fluss war nicht zu stoppen. Eine Extra-Datei, schon vor vier Wochen entstanden, heißt „Toyota“. Das Brainstorming ist schuld. Es hat mich zu einer ganz persönliche Japan-Erinnerung geleitet: Autos. Nein, dieser Post wird das Herz des Hobby-Tuners, dem ein schnittiger Honda XYLZ dünkt, enttäuschen müssen. Für mich sind japanische Autos verbunden mit Urlauben in Zelt und Wohnwagen und Duft von frischgebackenem Brot. In der mittlerweile leider nicht mehr existenten Bäckerei, in der ich aufgewachsen bin, schwörte man auf die Japaner und das schon, wie ich rausfand, als ich noch (ebenfalls eine Kindheitserinnerung, diese Wendung) „in Abrahams Wurschtkessel“ war. Zuverlässig seien sie, hieß es. Mein Vater fährt noch heute noch einen Toyota. So beauftragte ich also eben diesen (Vater, nicht Toyota) mir aus der heimatansässigen Bilderkiste sämtliche Toyotabilder herauszuschälen und sie mir zu schicken.

Impressionen aus meinem kraftfahrzeugsgeprägten Infanten-Bilderschatz

Um diesem Post auch Hand und Fuß respektive TÜV und AU zu verleihen, habe ich mich bereits vor einer noch wesentlich geringerer Postanzahl respektive Kilometerstand (ja, ich weiß, es reicht mit der Kfz-Metaphorik) entgegen meiner fast schon pathologisch wertvollen Fremde Menschen-Telefonier-Phobie an die virtuellen gelben Seiten gesetzt und drei lokale Autohändler mit seminarsrelevanten Fragen erbaut. Diese sollen größtenteils in Best Of-Interview-Form bleiben, nur zu manchen Sätzen werde ich mir eine [Anm. d. Verf.] nicht verkneifen können. Und, um sämtlichen Anschuldigungen, die zu Ungunsten meiner Product Placement-technischen Integrität gehen, vorzubeugen: Ich habe bewusst unterschiedliche japanische Automarken erwählt.

Toyota: Autohaus Fetscher, es spricht Bernd Fetscher, Mit-Inhaber

Warum haben Sie sich für Toyota entschieden?
Gute Frage. Toyota ist 1971 nach Deutschland gekommen, ich selbst bin ein Original Konstanzer. Wir haben uns für die Marke interessiert, einen Vertrag mit Toyota abgeschlossen und sind mittlerweile einer der ältesten Händler in Deutschland.

Was haben Sie ganz persönlich für ein Bild von Japan?
Puh, da hab’ ich wohl relativ wenig Ahnung. Das einzige, was mich fasziniert, ist der Fleiß der Japner und die Loyalität der Marke Toyota zu ihren Arbeitern, speziell in Japan. Man bleibt für immer Toyota, die sorgen ihre Mitarbeiter, nicht wie bei uns. Es gibt ganze Städte in Japan, in denen nur Toyota-Arbeiter leben, 40-50.000 Leute, alles von Toyota gemacht.

Toyota ist ja auch ein europäisches Auto geworden, die Industrie ist auch in Europa angesiedelt, es ist kein ausschließlich japanisches Produkt mehr.

Glauben Sie, dass sich dieses Bild in den Autos widerspiegelt?
Auch. Man macht schon Vergleiche zwischen japanisch und in Europa Produziertem. Es herrschen trotz allem sehr hohe Qualitätskontrollen und für Kunden ist das nicht merkbar, aber: die Qualität ist nur noch bei 95 Prozent, nicht mehr bei 100; bei bestimmten Modellen, die in Europa hergestellt werden: Montagsautos, das ist früher nie vorgekommen.

Waren Sie schon einmal in Japan?
Nein, leider bis jetzt ist mir das versagt geblieben, ich war aber von Toyota aus auf Hawaii, das war genauso schön [Warum habe ich gerade so eine fixe Idee, das Studium zu schmeißen und … Autohändlerin zu werden?].

Wieso kaufen die Leute japanische Autos (Aussehen, Innovation, Zuverlässigkeit usw.)?
Bis vor zwei Jahren konnten die Europäer unsere statistische Kundenzufriedenheit, die ADAC-Tests, der TÜV-Report nicht überzeugen. Das hat sich sehr stark gewandelt. Es geniert sich kein Mercedes-Fahrer mehr, sich auch mal einen Japaner anzuschaffen, in Deutschland speziell.

***

Nissan: Auto-Leverenz, Gaienhofen, es spricht Sabine Fröhlich, Geschäftsführerin [ein Highlight!]

Warum haben Sie sich für Nissan entschieden?
Es waren gute Konditionen damals, vor dreißig Jahren. Die Automarke bietet so viel Ausstattung, die deutsche Autos nicht bieten.

Was haben Sie ganz persönlich für ein Bild von Japan?
(überlegt) Kultur, Essen, Reis und Gemüse. Freundliche Menschen, und vor allem sehr neugierig.

Inwiefern?
Also, wenn weiße Europäer ins Land kommen, reagieren sie sehr neugierig. Wenn man jetzt zum Beispiel an einem Turm hochkuckt, bleiben die Japaner stehen, kucken dort, wo man selbst schaut und wollen wissen, was man da anschaut.

Ach so, dann waren Sie schon einmal in Japan?
Nein, war ich noch nie. [Ohne Worte!]

Glauben Sie, dass sich dieses Bild in den Autos widerspiegelt?
Ja. Schon allein der Innenraum von Nissan, mit viel Platz und mit viel Räumlichkeit. Es gibt viele Kleinigkeiten, Körbchen, Ablageflächen, Fächer zum Verstauen. Das steht für einen Sinn für Komfort und Service.

Wieso kaufen die Leute japanische Autos?
Der Preis ist relativ günstig. Dort, wo man die Autos herstellt wird auf andere Art und Weise produziert, die Arbeiter bekommen nicht so viel gezahlt, denk ich jetzt mal.

***

Suzuki: Insel-Garage Beck, Reichenau, es spricht Guido Beck, Inhaber

Warum haben Sie sich für Suzuki entschieden?
Das liegt 25 Jahre zurück. Damals war das eine Nische, die man belegen konnte, heute ist es eine ebenbürtige Marke. Damals war an deutschen Marken alles belegt, man hat gesucht und Suzuki hatte nur ein Modell auf dem Markt. Es war ein Versuch... Ich würde es wieder tun.

Bekommen Sie irgendwas von der japanischen Zentrale mit?
Es gibt sehr große Auflagen, einen 50-seitigen Katalog mit dem Anforderungsprofil. Suzuki will ein Einheitsbild in Europa halten.

Was haben Sie ganz persönlich für ein Bild von Japan?
Ich habe mal eine Reise gewonnen und sie nicht angetreten, weil mein Sohn zur Welt kam. Ich denke, es sind sehr freundliche und strebsame Leute, ein sauberes Land. Aber ich bekomme ja wieder eine Reise, das hängt mit den verkauften Stückzahlen zusammen.

Glauben Sie, dass sich dieses Bild in den Autos widerspiegelt?
Es herrscht dort schon eine andere Einstellung zur Arbeit als bei den Deutschen, andere Arbeitszeiten, die Arbeit steht im Vordergrund.

Ob das ein Grund ist für die Qualität…? Die Japaner waren gute Kopierer und haben nachher selbst ihr Ding gemacht, sogar verbessert.

Der deutsche Markt ist auch konservativer, man will da immer den Stern oder das Opel-Zeichen sehen. Wir hatten es damals schwer, wurden belächelt wegen des Images der Marke. Es hieß ja schon: „Niemals einen Franzosen!“ Wenn hier in der in der dörflichen Gegend etwas Fremdes kommt, geht da ja gar nichts. Wir haben uns aber trotzdem nicht beirren lassen, und es hat sich ausgezahlt.

Wieso kaufen die Leute japanische Autos?
Japaner haben einen guten Ruf, wenn ich ein gebrauchtes japanisches Auto draußen stehen habe, steht das da nur eine Woche.

Glauben Sie, der Automarkt wird sich irgendwann mal dermaßen globalisieren, dass nicht mehr zwischen einem Franzosen, einem Deutschen und einem Japaner zu unterscheiden ist?
Japaner sind einfach besser ausgestattet, da gibt es kein Zubehör-Prospekt, alles ist drin und fertig. Das ist schon eine Handlung, die von Japan ausgeht.

Von Störungen und Originalen

"Echte Japaner" waren selbst im sehr schönen Film meiner drei Cyberfictions-Kollegen Kai Voßkämper, Timo Warken und Sebastian Hoggenmüller spärlich anwesend. Der schüchterne Übersetzer und der in seiner Schüchternheit mehr an den Klischee-Südeuropäer erinnernde, aber leider kaum übersetzbare Koch gaben die regionalen Originale. Aber gab es da nicht mal eine erwähnte Korrespondenz, so ganz zu Anfang dieses Blogs? Meine Freundin Vera und ihre japanischen Australien-Bekanntschaften Hiroko und Naoko. In motiviertester Blog-Absicht erkundige ich mich also nach der beiden eMail-Adressen und beglücke sie mit einem bunterkunten Fragenkatalog zum Thema „Japan und Deutschland“. Leider kann ich nicht mehr genau rekonstruieren, wie die Fragen lauteten, aber sie lagen wohl in der Region von „What do you think is the Japaneses’ image of Germans?“ und „How did you like it in Germany?“ (ausschließlich an Naoko, die schon einmal im schönen Bayern weilen durfte). Mit durch Friends-Facharbeit gestähltem Schulenglisch harrte ich also der Antworten, die laut Vera zeitlich gut durch sein könnten („Die bekommen ihre eMails auf’s Handy“).

Nicht mal eine Woche, nachdem meine elektronische Post nach Fernost abgereist war, kam ihr Austauschpartner bei mir an: Naoko schrieb, Betreff „from japan“. Ich erlaube zu zitieren:

„hi! katja.i'm naoko.it's an interesting project! it is the question that i had this time,but sorry if wrong because english is not proud. anyway i answer it. germany which i think of is clean.it was surrounded on a mountain.and a lake was transparent too. when i went i felt it. i can't remember the name. the image before i went to germany that i thought all people love beer. how did i like it in germany:i like a christmas time.all market got a nice things. i felt that is a real christmas. i was impressed. what i was surprised at : all the highways were free.very good! here in japan must pay a rate of a highway.and there a being a basement in a house. with germany which japan think of if i think,it is a country of invention.it is a medicine,car. an image for a german is a straightness. and an intention is strong. with the german whom a japanese think of is smart and tough. and patriotic. that's it! this answer be useful for a project of a uni for you. and i hope that an answer does not differ from a question. from naoko(^u^)”


Verstanden? Nun ja, ich nicht so ganz. Vera bot mir an, ihr die Mail zu zeigen, um mir zu sagen, was Naoko („ich glaube, ich verstehe ihr Englisch mittlerweile ganz gut“) meinte. Und hier sind wir wieder bei der Übersetzungsthematik. Ich kann bisweilen nicht eruieren, was Naoko mir sagen will, und brauche Vera als Dolmetscher. Naoko und ich schreiben uns in der Weltsprache Englisch, eigentlich zu Zwecken der Homogenisierung unserer Kommunikation, als Treffpunkt von Deutsch und Japanisch. Und doch wird unsere Sender-Empfänger-Relation gestört. Sie entschuldigt sich bereits vorweg für den Fall, dass sie womöglich eine meiner Fragen nicht richtig verarbeitet hat: „and i hope that an answer does not differ from a question.“ Das primäre Sender- (ich) und Empfänger (Naoko)-Verhältnis ist womöglich bereits durch das Rauschen der Sprachbarriere gestört. Das Rauschen jedoch ist bedingt durch unser eigentliches Medium, die Sprache des Englischen. Also ist das Medium bereits selbst die Störung. Und selbige Problematik eröffnet sich erst recht, als ich versuche als Empfänger zu dekodieren, was mir Naoko über Deutscheland zu sagen hat.

So sitze ich schließlich, wie früher nachmittags am Esstisch an den Latein-Übersetzungen, mit Vera im Uni-Innenhof und lasse mir an die bestifteten Hände geben, was ich dachte, seit dem Abi eigentlich souverän zweitsprachlich allein meistern zu können. Was genau sie schreibt, muss ich nicht erläutern. Hier nur einige Vokabeln (ich bin ja versucht, eine Textverstehensfragen zu stellen…)

Mit dem See und dem Berg meint sie wohl, so Vera, die Voralpengegend rund um München, wo sie mit einem Bekannten typisch bayerisch unterwegs war. Basement ist der Keller. Als besonders knifflig haben sich indes folgende Sätze erwiesen: „with germany which japan think of if i think,it is a country of invention.it is a medicine,car. an image for a german is a straightness. and an intention is strong.” Vera dechiffriert dies als Naokos Einschätzung des Deutschlandsbildes der Japaner. „with the german whom a japanese think of is smart and tough. and patriotic.“ Hier allerdings sind wir uns uneinig: Während Vera meint, Naoko beschreibe jetzt das Bild des Japaners vom Deutschen als Einzelperson, glaube ich, dass sie erklärt, was sie denkt, dass Deutsche von Japanern denken.

Whatever – um mal im Idiom zu bleiben – es hat mich sehr gefreut, einmal von meinem Plastik-Schreibtischstuhl platziert in einer südbadischen Mittelstadt mit einer so richtig echten Japanerin zu kommunizieren. Ich möchte, wie gesagt, ihr Geschriebenes auch gar nicht großartig aufarbeiten. Es steht für sich, etwas klischeefestigend, aber deswegen nicht weniger spannend. Fast weltenbürgerlich mag ich mich fühlen (und vergessen, dass ich es bisher weiter östlich in der Welt als Griechenland nicht geschafft habe).
Und was mir Hiroko gut zwei Wochen später noch hat zukommen lassen, bedarf ebenfalls keiner inhaltlichen Erklärung und darf hier auch ganz allein blockzitiert protzen:

„Hi!I'm Hiroko.Nice to meet you!!I'm sorry my answer is very late.because my job is very hard,of course everyday overtime work.I don't have enough time… I like Germany and German people!because they have are very good skills and technology.I think they are kind and friendly but old japanese people has no good image to foreigner.I'm not sure,why they has no good image to foreigner.maybe they has prejudice.but now youg japanese hasn't prejudice. So if you have time you will visit to Japan. Have a nice week! Hiroko“

In diesem Sinne möchte ich mit Naokos herrlichem Smiley, mir zumindest bisher nicht
geläufig, schließen: (^u^)

Mittwoch, Juli 26, 2006

Von einem Konsolen-Diptychon

Videospiel-Zocken – des Mannes Freud’, des Weibes Leid? Wollen wir die Beurteilung dieses Klischees einmal beiseite stellen und sehen, was mir das Zocken in meiner Japan-Mission gebracht hat. Nach etwas Brainstorming dünken mir zwei Namen: Shenmue und Tokyo Busguide. Ersterer dürfte manchem vielleicht ein Begriff sein, es handelt sich um ein von Sega Ende 2000 herausgegebenes Spiel, zunächst exklusiv für die leider gescheiterte Konsole Dreamcast. „The game is so graphically beautiful, breathtaking in its music, and intense in its story and gameplay“, heißt es auf einer mir von Herrn Furtwängler empfohlenen Videospiel-Seite (siehe Quellen). Und in der Tat – ich erinnere mich unheimlich gern an durchspielte Wochenenden, niemals war ich selbst am Controller, sondern immer nur Pubertäts-Nerdtum-Cheerleader für Bruder und damaligen Freund. Worum es ging? Wahrscheinlich (viel mehr ist mir die Stimmung in Erinnerung geblieben als so Profanes wie Inhalt) um einen junger Japaner, Ryo Hazuki, der irgendetwas standardmäßig aufzuklären hat, und dabei (standardmäßig) eine moderne, japanisch anmutende Welt durchqueren muss, ein (standardmäßig) Mädchen kennenlernt, und am Ende, gedankt sei’s den flinken, nerd-nutella-brot-verschmierten Jungens-Fingern, obsiegt – ein Rollenspiel wie jedes andere?

Oh nein, natürlich ist es das nicht. Ryo kann nämlich in der atmosphärisch höchst dichten Welt nahezu alles tun, was er möchte, auch für die eigentliche Handlung völlig Sinnfreies. Darunter: sich um ein kleines Kätzchen kümmern, dazu im japanischen Supermarket Futter kaufen, die Spielhalle frequentieren, sich dort an Sega-Arkaden-Perlen erquicken (letztendlich erquickt sich selbstverständlich der Controller-Halter selbst), Dart spielen und als Gabelstaplerfahrer arbeiten, schlafen gehen, wildfremde Menschen ansprechen und hoffen, dass sie einem womöglich japanisch-freundlich weiterhelfen, und ab und zu musste auch ein Event bewältigt werden, in dem plötzlich ebenso wildfremde, angreifende (Immer-)Männer mit einer schnell aufleuchtenden Tastenkombination zu grafisch hochwertigem Boden befördert werden mussten. Natürlich hatten eben jene auch eine Auskunftsfunktion für die eigentliche Mission, die man inmitten der fast naturgetreu dahinziehenden Tage und Wetterlagen, umrahmt von der damals grafisch euphorisierenden Kleinstadt, bisweilen arg vernachlässigte. Soweit die Theorie.

Die blogrelevante Praxis? Ich bin nach längerer Recherche endlich auf eine Seite gestoßen, die mir offenbarte, was die japanische Konsolenwelt zusammenhält. Shenmue machte es mir möglich, Japan zu besuchen, ohne es zu besuchen (wieder das bereits erwähnte Reise-Simulakrum, das so oft in meinen Überlegungen greift). Stromern durch kleine Gässchen, japanische Supermärkte und Blumenläden, herrlich gedankenbildbestätigende Wohnhäuser und einfach so, ohne die Hemmungen, die mich so oft während der Blogsättigung begleitet haben, Menschen ansprechen, die (höhö) japanisch aussehen. Und habe ich wirklich Japan besucht oder wurde einem da nur eine Reise vorgegaukelt, die so niemals realisiert werden kann? Folgende Bilder sollen diese Frage für sich allein stehend zumindest in eine Antwort-Richtung kippen (links im Spiel, rechts die möglichen Paten-Orte).


War da nicht noch etwas? Tokyo watt? Tokyo Busguide (Ende 1999). Grafisch sehr viel schwächer, aber ebenfalls auf der immer noch zu betrauernden Dreamcast, importiert über den Spielehändler meines Bruders Vertrauen (Mowin, am Jakobertor, Augsburg). Das Spielziel? Nun gut: in Tokyo Busfahrer sein. Den Bus lenken, Ansagen machen (Controller-Knopf drucken und eine samtene Stimme kündet vom nächsten Halt), möglichst nirgendwo anstoßen, korrekt blinken und abbiegen und das durch drei Tageszeiten und durch Tokyo hindurch. Ein Spaßspiel, ja. Aber, angesichts dessen, dass ich selbst Hand und Aug’ anlegte, ebenfalls sehr atmospährisch. Wo Shen Mue u.a. noch zarte Landidylle durchdrungen vom Bösen (hätte Ryo sonst etwas zu tun?) darstellt, ist Tokyo Busguide Stadt-Szenerie mit wirklicher Idylle. Man durchfährt Industriegebiete, Downtown, Wohngebiete im Grünen. Ob es um realen Sznerien nachempfunde Virtuell-Land- und Stadtschaften handelt, konnte ich nicht ausmachen. Unten jedoch Vergleichesbilder.

Einmal habe ich das Abenddämmerungs-Level durchgespielt, es geschafft, meine ganz eigene Rundfahrt durch Tokyo, das leicht skurrile, weil nicht reale, aber doch fesselnde Schauen und das eigentlich geforderte Buslenken zu vereinen. Wenn ich doch nur einmal dürfte (die Dreamcast meines Bruders ist mittlerweile mit den meisten Spielen verschollen)!

Beide Spiele lassen sich jetzt, ganz wie im kunstwissenschaftlichen Diptychon-Prinzip, wunderbar aufeinander beziehen. Sie kommen alle zwei aus Japan, Shenmue aus dem Kopf des Programmier-Propheten Yu Suzuki. Legt man die CDs ins Laufwerk, wuchert Japan auf die Fernsehbildröhre. Shenmue birgt in seinen abertausenden Bytes das Japanbild seines Bitmeisters Suzuki. Und das durchschreitet man spielend. Durch die zahlreichen netten Beschäftigungsaccessoires kommt Alltag ins Spiel des Spiels – man rennt nicht blind durch die polygonen Auen, sondern schaut sich um, erlebt mit, selbst man nur, wie ich, das Spiel vom Sofa aus ab und zu mit von dämlichen Kosenamen angeführten Anfeuerungs-Rufen bereichert. Ich habe viel mehr das virtuelle Japan bewandert, als dass ich das Spielgeschehen verfolgt hätte. Tokyo Busguide birgt, neben der Tatsache, dass man den Touri-Bus durch die Stadt auch noch selbst lenkt, das „totel crazy“-Japan-und-seine-lustigen Freak-Freizeit-Formen-Potenzial. Es ist klischeebestätigend abgedreht, weil gerade so simpel, dass es vielleicht ohne seinen Import-Bonus auf dem europäischen Markt kaum eine Chance gehabt hätte.

Beide Spiele sind Sightseeing in Japan – komplementär (Stadt-Land). Nicht real im eigentlichen Sinne, aber doch so echt, weil japanisch.

Quellen:

  • Shenmue, Sega, 8.November 2000

  • Tokyo Busguide, Fortyfive, 30. November 1999

  • Shenmue-Review: http://dreamcast.ign.com/articles/164/164499p1.html

  • Shenmue-Vergleichsbilder: http://shenmueangel.free.fr/shenmue/saga_lieux_realite_jeu.php

  • Bilder Tokyo Busguide (von links nach rechts):

http://onlyagame.typepad.com/only_a_game/2006/01/the_imagination.html,
(nächste beide) http://media.dreamcast.ign.com/media/013/013166/imgs_1.html, http://www.gamespot.com/dreamcast/strategy/tokyobusguide/screenindex.html

Mittwoch, Juli 12, 2006

Von Fundstücken im Tal des Schweißes, II

Noch kürzer als der vorherige Post "kurz" war: In einigen Blogs kam ja die Frage auf, wie man denn Chinesen und Japaner unterscheiden könne. Die rassistische Aufklärung der US-Amerikaner mitten aus dem zweiten Weltkrieg über den guten Chinesen und den bösen Japaner liefert dies hier:



Der Rest dieser despektierlichen Weltsicht ist Geschichte.

Von Fundstücken im Tal des Schweißes, I

Ein kurzer Ruf aus der Polarkappenschmelze

Für all diejenigen, die das folgende Bild nicht sofort zuordnen können: Es handelt sich um sich gegenseitig ohrfeigende Japanerinnen.



Eine Trouvaille des vom Liebsten desöfteren (nicht wirklich überzeugt wohlgemerkt) frequentierten collegehumour.com. Und weil ich den Screenshot nicht einfach nur so samt Link stehen lassen will, kurz drei kleine (eine davon zumindest nicht wirklich ganz erst gemeint) Überlegungen dazu. Was tun die Damen da? Mir kommt es fast so vor, als sei das ein "Do it yourself - Samurai Stolz und Ehr"-Crashkurs im Kaufhaus, nebst Dessousläden und der Imbissmeile. Wer sich das Video ansieht, wird feststellen, dass die Misshandelten sekundenbruchteilskurz das Gesicht verziehen, dann aber sofort wieder lächeln und so aussehen, als hätte sich niemals neben dem Makeup gerade noch eine kräftige Hand in ihrem Antlitz befunden. Folglich könnte das, wie gesagt, eine Bauchaufschlitzundstarkbleib-Übung in der Samstagnachmittagsversion sein oder ein Training zum Ewigkächeln des ebenso bezeichnten Landes.

Soweit der nicht ganz seriöse Part. Dann eine fixe Feststellung, was den Fremdheitsgrad dieser Aufnahmen angeht: sehr gering. Blond und brünett wie selbstverständlich nebeneinander, im Hintergrund besagtes Einkaufscenter, das örtlichen stark ähnelt, Kapuzenpulli und Jackett - nix da mit Exotik und "das ganz Andere".
Und, anknüpfend an ersten und zweiten Punkt, das einzige, was fremd wirkt, ist das Schlagen. Und was das zu bedeuten hat, weiß keiner. Sehr gut möglich, dass es sich um eine dieser auch in deutschen Vorabendunterhaltungssendungen (taff, Explosiv, Blitz usw.) inflationär programminutenmästenden Straßentest handelt: "Wie finden Sie diese (hui) Dessous an dieser (pfui) Frau", "welches ist das Salatdressing ohne künstliche Aromen (Arme deutsche Jugend mit ihren verkümmerten Geschmacksnerven)", "kennen Sie diesen Politiker (Arme deutsche Jugend mit ihrem verkümmerten Weltinteresse)?" Warum eigentlich nicht auch: "Trauen Sie sich, Ihre Freundin hier neben Ihnen zu schlagen, vielleicht auch nur andeutungsweise, schauspielernd?" Sehr gut vorstellbar auch in hiesigen TV-Stunden zwischen 18 und 20.15 Uhr.

Aber - hihi - kommt ja aus Japan und deswegen ist es bestimmt ganz anders gemeint, und so "krank", dass man es als "lustig" auf collgehumour.com ansehen kann. (Bitte beachten: Dies ist lediglich die Rekapitulation des womöglichen Gedankenganges desjenigen, der dieses Video ausfindig gemacht und veröffentlicht hat.) Hiermit wären wir wieder beim Eurozentrismus.

Schönes Schwitzen noch.

Sonntag, Juli 09, 2006

Von vernachlässigten Serotoninen




Nun endlich habe ich ein Foto gemacht: Seit Vera in Japan war, liegt er hier herum, der exotische Schokoriegel. Uns allen bekannt in der euopäischen Version, gern aus dem Uni-Automaten mit den Spiralen, manchmal auch mit weißer, eigentlich aber immer mit simpler brauner Milchschokolade
und Waffel (nein, ich habe kein Geld bekommen hierfür, ich hab nur noch nicht gefrühstückt). "Diese Japaner" haben das jetzt "weiterentwickelt": immer noch - Globalisierung ahoi - von der Schweizer Firma mit dem Accent vertrieben, aber mit grünem Tee in der Schochki. Zusammen mit Streifen von getrockneter Alge in Plastiktüte (nicht ganz so meins - ein Euphemismus) und Erdnussgebäck (ganz ok), hat Vera ihrer Konstanzer Bagage dies aus ihren drei Wochen fernöstlicher Esskultur zukommen lassen. Die Erdnüsse sind geknackt, die Streifen gestrichen, der Schokoriegel aber liegt weiterhin unberührt in meinem Vorratsregal. Nun sind während stressreicher Unitage (zum Beispiel beim Verfassen eines Blogs - nur so am Rande: Comer, Abnormal Psychology: Chemicals in chocolate may bind to the same neuron receptors that receive cannabis substances) derlei Tatsachen eher ephemer. Der Riegel aber überlebt und überlebt.
Und wenn ich so nachdenke, weiß ich auch wieso:
1) Mir graut es vor der Exotik. Nach den Algenstreifen habe ich irgendwie Bedenken, noch einmal einer ungewöhnlichen Gaumenfreude ausgesetzt zu werden. Es gibt bei uns in Bayern (jawoll, Sakradi, Herrschaftszeiten) ein Sprichwort, das da lautet: Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Und in dieser Hinsicht bin ich in meiner Ruralität nicht zu schlagen. Das einsame Süßstück in meinem Regal steht also für diesen schrecklichen (auch kulinarischen) Eurozentrismus, den ich sowohl in diesem Blog bereits für andere als auch besoders für meine eigene Person konstatiert habe.
2) Mit dieser Erkenntnis könnte ich mich nun doch ans vorfreudige Aufreißen und Verspeisen des Mitbringsels machen, ganz tapfer, ganz weltoffen. Nun aber liegt der zweite Hund gerade unter dem Wort "Mitbringsel" begraben. So hübsch fremd wie der Riegel in seiner grünen Verpackung wirkt (und so wenig man den darunter stattfindenden Verrottungsprozess realisiert), so sehr hat er mittlerweile für mich die Konnotation eines besonders spannenden, weil ungewöhnlichen Souvenirs. Und Souvenirs isst man nicht einfach (sind sie hässlich, versteckt man sie vielleicht, aber ich mag das Ding ja). So wird es wahrscheinlich weiterhin hier in meinem Regal darniederliegen, immer mal wieder bedauernd und doch lächelnd von mir betrachtet und sollte jemals jemand danach fragen, kann ich es genauso und noch viel beeindruckender tun, wie mit der schon früh an dieser Stelle erwähnten Katze - sagen: "Oh ja, das ist aus Japan, weißt du?"

Cannabis-Info-Quelle: Ronald J. Comer, Abnormal Psychology (5th Edition),
New York, 2004, S. 386