Freitag, Juni 30, 2006

Von Kirschblüten und Wasserlilien

Dieser Post soll so schnell wie möglich dem "Publish Post"-Button zugeführt werden, schließlich behandelt er ein Fundstück, das in der uns allen heimischen Bildungsstätte sich bar und fix abreißbar zeigte. Mitgebracht hat es mir der inzwischen ebenfalls auf Japan-Umgebungsscan konditionierte Liebste. Das hier ist nun das so reißerisch angekündigte Stück:
Ein Flyer mit dem von mir bereits im vorvorhergegangenen Post deutschland-belegten Fuji. Und was kündigt er an? "Water Lilly", bekannt für "mental groove" bekannt aus dem "lasergun, geneva" im Konstanzer Audiopixel-Club. Der Flyer ist zweiseitig bedruckt. Auf der wahrscheinlichen Rückseite nur obiges Fuji-Bild, auf der Vorderseite selbiges schwarz-weiß, darüber in pink-blauer Ausführung schon genannter Name des Künstlers und was ein Flyer noch so alles braucht. Daneben ein schwarz-weißes Frauengesicht, die KünstlerIN selbst.
Da ich mich gänzlich unsicher in der Elektro-Szene bewege, aber gerne wissen möchte, was es mit dem japanischen Vulkan als Flyer-Motiv auf sich hat, tippe ich die unten angegebe URL ein, southofheaven.de. Und finde: nichts. Die Seite beschreibt nur wie "charmant" der Dames letzter Auftritt in Konstanz war. Zum Flyer-Motiv nichts.

Also werde ich mich selbst an eine kleine Interpretation wagen. Und komme nicht umhin, die inneren Schranken, die ich fundamentalistischerweise in mir trage, nämlich niemals auf meinen heimeligen Hallen des Rock-Indie herauszuschreiten, zu öffnen.
Ich schaue auf die Homepage der Elektro-Musikmacherin.


Ein Presseartikel (aus April letzten Jahres und aus der Subculture Freiburg) beschreibt ihre Musik als einerseits als "repetitiven Ambient", als auch als "energetischen Miminal-Elektro". "Ihre Musik ist intelligent, manchmal epochal (...) und fast zu perfekt für die Tanzfläche" (waterlilly.ch/press).

Und genau dies möchte auch der Flyer suggerieren, auf zweierlei Achsen gar:
Die erste: Ein wunderschönes Motiv, passend zu den rosa Kirschblüten das Logo der Veranstaltungsreihe des Konstanzer Clubs, wie ich annehme, die sich South of Heaven betitelt und einen Flamingo enthält. Beim Titel South of Heaven hätte ich jetzt klischeehafterweise, wenn es denn ein Landschaftsbild sein soll, eher einen Karibik- oder indischer Ozeans-Insel-Strand erwartet.
So schließe ich also aus der Nicht-Verwendung dieses Standardmotivs Folgendes:
Die Elektro-Szene denkt weiter. Da Water Lilly zum Teil Ambient anbietet, heißt das für mich, als Non-Connaisseuse schlechthin, man sucht man einem "chilligen" Motiv. Und: Es gibt noch andere, die Seele ins Baumeln bringende Orte auf dieser Welt als weiße Palmenstrände. Also nimmt man ein Bild des schneebedecken japanischen Hausvulkanes und rahmt es mit blütenbedeckten japanischen Kirschbäumen. Klischee, ja, auch hier. Aber gewiss nicht so verbraucht wie jenes bereits erwähnte. Vor allem nicht in diesem Zusammenhang. Auch soll dieses Bild inneren Frieden vermitteln, Einheit mit der Welt - genau diese Einheit soll beim Tanzen zu Water Lillys Musik entstehen. Und genau diese Einheit zeichnet ja auch ihr Album aus, denn es ist, wie es zumindest in bereits erwähntem Zeitungsartikel heißt, "aus einem Guss".
Zweitens: Dass gerade ein japanisches Chill-Motiv verwendet wird, soll vermutlich zeigen, wie geistreich die Künstlerin ist. Man kennt den Fuji und seine Motive schon, dennoch implizieren sie immer noch eine gewisse Exotik, sie sind nicht so verbraucht wie manch andere, sie sind Fernos(/r)t und, selbstverständlich, Japan steht für Zen, Teezeremonie, samuraigleiche Selbstbeherrschung, weil innere Einheit - auch alles Anklänge, die sich vermutlich in der Musik widerspiegeln sollen. All das weiß und kennt die Künstlerin wahrscheinlich und dafür soll auch der sie ankündigende Flyer stehen.

Nun gut, dies meine Interpretation eines in der Uni rumklebenden Zettelchens, das wiederum an einer Szene klebt, mit der ich glaubte, mich nie beschäftigen zu werden. Insofern - ha - hat meine Japan-Suche definitiv meinen Horizont erweitert.


Quellen:
  • http://www.southofheaven.de/frames_1.html, 30.6.06
  • http://www.waterlilly.ch/press/pic/2005/subculture%20freiburg%2004.05.jpg, 30.6.06

Montag, Juni 12, 2006

Vom Anspruch des Kino-Ausschusses, das Sequel

Heute: Meine peinliche Neigung zu fäkalhumorregierten Film-Persiflagen, die Fortsetzung. Ja, ich war schon wieder in einem Movie-Film. Diesmal: Date-Movie. Nun besuchten wir also dieses Comedy-Produkt, das außer den guten Witzen im Trailer übrigens hauptsächlich nur noch aus Körperausscheidungs-Komödie besteht und wem begegneten wir? Einer Japanerin. Die Protagonistin, das Flötenmädchen aus American Pie, lebt in einer wahrlich multikulturellen Familie. Der Vater ein schwarzer Grieche, die Mutter eine Inderin, die Schwester eben diese Japanerin. Und bis auf dass sie My big fat greek wedding-esk in einer Taverne arbeitete, ging sie, natürlich filmisch beabsichtigt, voll im Klischee auf. Crazy abstehende Haare, soweit ich mich erinnere, crazy bunte Strähnchen, crazy Kleidung. Ziel des kreativen Drehbuchschreibers selbstverständlich: Alibi-Minderheiten-Parodie.

Gerade komme ich wieder aus dem Kino. Es gab: X-Men III (es ist Studententag und ich wurde eingeladen!). Ein Film, der sich selbst wesentlich ernster nimmt als oben genannte Liebesfilm-Persiflage. Und doch gibt es eine Szene, die mich von meinem Lakritzkonfekt (weiß jemand, wo der Weingummi hingekommen ist?) aufsehen ließ. Die bösen Mutanten verschieben die San Franciscoer Golden Gate Bridge, um einen Übergang vom Festland auf die Alcatraz-Insel zu bekommen. Als das Bauwerk bereits zu wackeln beginnt und schließlich dann aus seinen Befestigungen gerissen wird, sieht man davor kurz eine asiastische, ich nehme einfach mal an japanische (Herrschaftszeiten, Klischee halt) Reisegruppe, die sich gerade breit grinsend zum Gruppenfoto postiert hat und dann schreiend das mutantenfreie Weite sucht.

Nachdem ich jetzt also, wahrscheinlich durch Cyberfictions erst sensibilisiert, drei Mal in jeweils mehr oder weniger unterschiedlichen Filmen das Japaner-Klischee eingemengt gesehen habe, muss ich mich doch mal fragen: Wieso? Wer Charlie und die Schokoladenfabrik gesehen hat, weiß, dass man sich auch in den Studios mit dem Hügelschriftzug gerne über in Fachwerk hausende Duesseldorfer lustig macht. Jean Reno gibt gerne auch mal den Klischeefranzosen (siehe auch Emmerichs Monstermutanten-Sage).

Aber besonders gern scheinen doch die Japaner für einen Resteauflauf an halbstarken Gags herhalten zu müssen. Wieso? Vielleicht weil es so einfach ist. Bitte nicht sofort wild runterscrollen und den Kommentar-Link betrommeln. Ich werde versuchen, es so politisch korrekt wie möglich auszudrücken. Japan ist weit weg. Japan ist im Verständnis vieler Exotik. Über Fremdes, nicht Verständliches lässt sich leicht Witze machen. Die bunt behaarte Trendjapanerin wird nun mal sofort erkannt. Japanische Touristen hat der Großteil der Deutschen, Franzosen, Italiener, Spanier, Polen, Russen usw. schon einmal selbst erlebt. Das Klischee funktioniert überall in der Welt. Und – jetzt wird es kurz schwierig – das asiatische Aussehen wird sehr schnell dekodiert als „aach, Japaner“. Vielleicht auch aus den Gründen, wie ich sie für mich im Blog „The Significant Other“ erschlossen hab. Also: Asiastisches Aussehen = Fremdartigkeit = klischeehafte Überdrehtheit = proliferatorische Möglichkeiten, gute und auch schlechte Gags aus dieser Überdrehtheit zu bauen. Das führt zu Bekanntheit in der Welt durch touristischen (Über-?)Eifer = Japaner = Inflation von Japan-Klischee im cineastischen US-Import. Eine Gleichung, die, wie ich finde, eigentlich sehr gut aufgeht.

(Nachtrag) Dann aber finde ich beim Großmeister meines Nebenfachs eine weitere, anwendenswerte Theorie: Charles Baudelaire unterscheidet die gewöhnliche Komik und das / die Groteske. Diese ist jener überlegen und dadurch charakterisiert, dass der Künstler, der bei sein Publikum lachen machen will, bei diesem ein Gefühl der Überlegenheit ihm gegenüber aufmauern muss. Dies erreicht er unter anderem dadurch, dass er den Eindruck erweckt, sich seiner Komik gar nicht bewusst zu sein."[A]yant etudié et rassemblé les éléments du comique, ils [les artistes] savent que tel être est comique et qu’il ne l’est qu’à la condition d’ignorer sa nature" (Baudelaire, S. 262): "ignorer sa nature" kann in meiner Übersetzung bedeuten, dass er sein eigenes Wesen ignoriert und verleugnet oder dass er von seiner ureigenen Natur nichts weiß. Beides passt nun auch zu meinen beiden spaßigen und meinem actiongeladenen Kinobesuchen.
Sich seiner Natur nicht bewusst sein: passt sehr gut. Möchte man das nun auf die Darstellungen des Japaners in meinen drei Filmbeispielen anlegen, könnte man argumentieren, dass der Japaner sich so verhält wie immer. Gerade diese Normalität in seinen Augen ist aber für den Nicht-Japaner komisch (vor allem auch durch die im Seminar immer wieder angesprochene Fremdheit, Andersheit). Der Japaner weiß nicht, dass er sich in den Augen gewisser Nicht-Japaner lachenswert verhält. Daraus macht Hollywood leichte Lacher. Ja, zugebenermaßen, eine recht herabwürdigende Erklärung. Aber eine Erklärung.
Seine Natur ignorieren: ebenfalls möglich. Aber vielleicht mit einem "kleinen" Kniff. Der Drehbuchschreiber verstellt den Japaner, nicht er sich selbst. Der Regisseur meiner Filme weiß selbstverständlich, dass 'der Japaner' (ich muss den Singular hier verwenden) eben, so wie er ihn darstellen will, nicht ist. Aber, um seinem Publikum bzw. das des späteren Filmes Deziliter von Lachtränen zu bescheren, ignoriert er das Wesen des Japaners und biegt es filmisch so hin, dass es komisch wirkt. Was bei Baudelaire der Künstler selbst tut - sich verstellen, seine Natur verleugnen, auf dass er lustig sei - macht hier der Verfüger über die Gags. Ich wage jetzt sogar zu behaupten, dass es das berühmte Fünkchen Wahrheit ist, dass diese Art der Komik überhaupt erst ermöglicht. Baudelaire sagt auch, dass der Künstler sich in die Richtung verändern müsse, die seine Zuschauer erwarten. Nun werden 'vom Japaner' eben diesen Erwartungen durch die spärlichen Informationen, die nach Europa und die USA gelangen, und die Extrembeispiele ('crazy' Denke, 'crazy' Klamotten, 'crazy' Technik usw.), die ihren Weg dann doch finden, gestählt. Es entsteht eine Ahnung davon, wie 'der Japaner' sein könnte, eine Erwartung. Wird diese nun durch einen findigen Autor erfasst, biegt dieser Autor die Darstellung 'des Japaners' in die erwartete Richtung, gibt's Lacher.


Quellen:
  • David Zucker, Scary Movie 4, USA 2006.
  • Aaron Seltzer, Date Movie, USA 2006.
  • Brett Ratner, X-Men: Der letzte Widerstand, USA 2006.
  • Baudelaire, Charles, De l’essence du rire et généralement du comique dans les arts plastiques, in: ders., Curiosités esthétiques. L’art romantique, Paris 1962.

Sonntag, Juni 11, 2006

Vom "Hontes" und vom "Fuji"

Böblingen – ja. Was Stuttgarts Suburbs mit Japan in Konstanz zu schaffen haben, erschließt sich nicht auf den allerersten Blick. Aber wie in jeder Folge der Simpsons beginnt auch dieser Blogeintrag ganz anders, als er endet. Der Weg nach Böblingen lag also am gestrigen Abend ausgedruckt auf meinem Schoß, links neben mir der Mensch an meiner Seite. So fahren wir Richtung Nordwesten, um auf einem Rollenspielerfestival (jawohl) zu spielen. Zu spielen=Musik, wir=eigentlich nur Meiner und der Bandschlagzeuger auf dem Rücksitz. Sängerin und Gitarrist befinden sich bereits seit dem Vortag inmitten von Kutten-, Schwert- und des öfteren auch mal einiges an Kiloträgern. Es ist ein wunderschön sonniger Abend, im CD-Player drehen Muse ihre Runden und ich betrachte die Landschaft. Als bayerische Schwäbin hatte ich also mit dem Südwesten Baden-Württembergs noch nicht so viel Bekanntschaftsmöglichkeiten und erfreue mich an der gar lieblichen Szenerie: zahlreiche seltsam anmutende Berge, weniger klassisch dreieckig, denn vielmehr abgeflacht, wo sonst die Spitze ragt. Dies ist also mein erster Eindruck.

Der Mensch links von mir, aus ehrenamtlichen Gründen mit der heimischen Berglandschaft vertraut, klärt mich auf: Es handele sich halt um den Hegau, die Berge seien Vulkanschlote, der bekannteste unter ihnen der Hohentwiel, seines Zeichens treuer Namens-Gefährte der Stadt Singen. Mein Interesse an unscheinbaren Absurditäten und meine Kompetenz, Fragen zu stellen, die selbst in „1, 2 oder 3“ die Kindermenge geschlossen auf ein Feld hüpfen ließen, gehen eine nur semi-geschmeidige Koordination ein: „Aber was machen denn Vulkane hier? Ich mein, wir sind ja hier nicht in äh Japan.“ Die Vulkane seien entstanden durch den Oberrheingraben, im Laufe der Jahrmillionen dann hätte des Geologen Geliebte, die Erosion, ihr Werk getan und den eigentlichen Vulkan abgetragen und noch die Schlote stehen lassen. Ich bin fasziniert: Das erklärt auch diesen skurrilen Hohentwiel, den ich auf einer Zugfahrt nach Freiburg schon zur Kenntnis nahm, wie ein Schulkind gemustert wird, das in den absurdesten Batik-Klamotten die HipHopper-Klasse betritt – interessiert, aber skeptisch.

Und heut sitze ich vor der so guten wie wissenschaftlich zu verschmähenden Internet-Enzyklopädie, die wir alle kennen und erkundige mich tippenderweise nach dem Hegau und dem berühmtesten japanischen Vulkan, dem Fujiama, wie ich zunächst glaube. Doch flux weiter ich dank „weitergeleitet von Fujiama“ aufgeklärt, dass Japans höchster Berg eigentlich Fuji-san heißt. Dieser Vulkanberg liegt also 3 776 m müM auf Honshu. Und trotzdem, dass ich dank Albert Kümmels Wissenspraxis-Seminar vor allzu normativer Etymologie-Aufschlüsselung gewarnt bin, gebe ich jetzt wieder, was mir Wikipedia liefert: Der Fuji (Basalt-Gestein) heißt reicher Krieger, weil fu reich und ji Krieger bedeutet. Der Hohentwiel (868m müM, Phonolith-Gestein, einige andere der Hegauer Kegel sind ebenfalls aus Basalt), auf den ich mich jetzt konzentrieren will, heißt aus sehr viel profaneren Gründen Hohentwiel: Twiel stammt aus dem Keltischen (die Kelten besiedelten den Hegau in der Eisenzeit vom ca. achten bis zweiten Jahrhundert v. Chr.) und bedeutet „Fels“. Hoher Fels also – scheint, als wäre die Lyrik samt des äußeren Vulkans im Winde verweht. Vielleicht ist man im Allemanischen einfach weniger der schönen Kunst des Wortes zugetan als in Japan. Höchstwahrscheinlich aber ist ein schneebedeckter, symmetrisch ästhetischer Dreitausender doch musenfreundlicher als ein urdeutsch bewaldeter Steinkegel. Besonders in der japanischen Kunst wird der Fuji mit überbordender Aufmerksamkeit bedacht, mit Gemälden, Gedichten, Fotos, von denen man sich übrigens hier http://commons.wikimedia.org/wiki/Mt._Fuji an die Hand auf den Berg nehmen lassen kann.

Allerdings ergibt sich doch eine Paralle. Auf dem Hohentwiel befindet sich laut seiner Internetpräsenz mit mehr als neun Hektaren„die größte Burgruine“ Deutschlands. Eine Festung kriegerischen Hintergrunds. Der weitaus dandyhaftere Fuji ist auch militärisch belegt, dank seines bereits erwähnten Namens. Mehr oder weniger einzeln stehende Berge werden also, logischerweise dank der Übersichtlichkeit gerne militärisch belegt. Der Hohentwiel ließ sich schon zu mittelalterlichen Zeiten bezwingen, also krönte man ihn mit einer Burg. Beim Fuji gestaltet sich die Besteigung freilich schwieriger. So also hat man womöglich, kann man ihn schon nicht strategisch bebauen, ihn wenigstens feierlich-imposant getauft. Und: „Hontes“ rufen die Singener ihren Hausberg. Man hat ihn also doch lieb.

Sonderlich gefährlich ist der schöne Soldat übrigens nicht: Ihm wird nur ein geringes Ausbruchsrisiko attestiert (letztes Mal 1707).

Beide Vulkane bzw. Vulkanreste erliegen aber regelmäßig sommers Strömen erhitzter Touristen. Der Fuji ist nicht schwer zu besteigen, besonders prächtig scheint der Blick über den von der aufgehenden Sonne rotgülden bemalten Pazifik. Der Hohentwiel wird so angepriesen: „Belohnt wird der Aufstieg mit einem Blick über den gesamten Hegau zum nahegelegenen Bodensee und der Alpenkette.“ (http://www.hegau24.de/allgemein/hohentwiel.htm) Außerdem sollen sich auf der zum Naturschutzgebiet erklärten Erhebung biologisch Erbauliches finden.

Blick zum Bodensee oder Blick auf den Pazifik… egal, der Hohentwiel bietet Seines wenigstens direkt vor der Haustür an.

Blick vom Hohentwiel auf den Hegau


Blick vom Fuji auf den Pazifik

Was mir das alles also sagt? Japan ist in Süddeutschland, Süddeutschland ist in Japan, zumindest, was die Geologie angeht. Vielleicht hat der Hohentwiel gerade deswegen so imposant und doch seltsam fremdartig, wie in die Szenerie nachträglich hinein geschnitten auf mich gewirkt, weil wir Vulkane nur von Bildern kennen. Als Abbilder fremder Länder, wenigstens mehrere hundert Kilometer entfernt (der Etna in Italien beispielsweise). Ich erinnere mich an Dokumentationen, die ich in Kinderzeiten nachmittags aufschnappte und die mich schwer beeindruckt haben. Bilder von schwer fließender Lava, glühend heiß, unaufhaltsam, aufgestoßen von diesen riesigen Kegelbergen. Ein bisschen beängstigt hat mich das Ganze immer. Aber sie waren ja weit genug weg. Der Hohentwiel ist in der Nachbarschaft, steht dort einfach so rum, zwar kein richtiger Vulkan mehr, was vor zehn Millionen Jahren mal diese rote Masse war, in der Konsistenz von Kuchenteig, nur lebensauslöschend, ist jetzt grün bewaldet, birgt weltweit einmalige Mineralien und neuerdings chinesischen Lauch und wird von den ansässigen Alemannen geherzt. Und doch war er mal eines dieser fremdartigen Bergwesen, die eigentlich in meiner Vorstellungswelt in die Exotik Japans gehören. Oder, wissenschaftlicher ausgedrückt: Der Hohentwiel ist mein real gewordenes Simulakrum. Die Fernsehbilder aus meiner Kindheit waren, wie schon gesagt, immer nur Abbilder, Repräsentationen, damit auch Kopien des eigentlichen Geschehens. Dadurch, dass sie so fremd wirkten, hatten sie für mich keine reale Entsprechung, keine Referenz und waren eine 'Kopie ohne Original', wie es das Lexikon für 'Simulakrum' angibt (Nünning 2004). Unbedrohliche Simulakren. Der Hegau aber stellt mir das Original, oder zumindest ein Rudiment dessen, direkt vor Augen. Ich bin mit einer Realität konfrontiert, die ich für gar nicht existent gehalten hatte...

Ich fand die Fahrt durch den Hegau auf jeden Fall gar touristisch wertvoll, umringt von abendsonnenbeschienenen Ex-Vulkanen, deren Abbilder mit einem bisschen gutem Willen auch die Fernost-Seiten eines Sommereisekatalogs hätten eröffnen können. Und zwischendrin schwäbische Zwiebelkirchentürme, süddeutscher Barock.


Quellen: